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Titel
Court, Pâturage de l’Envers. Une verrerie forestière jurassienne du début du 18e siècle, Volume 3
Weitere Titelangaben
Die Kühl- und Haushaltskeramik


Autor(en)
Frey, Jonathan
Erschienen
Bern 2015: Rub Media
von
Walter Thut

Die vorliegenden Bände drei und vier schliessen die umfassende Studie zur (bern-)jurassischen Waldglashütte Court, Pâturage de l’Envers ab.1 An den Forschungen und der Veröffentlichung haben mehr als ein Dutzend Fachleute mitgewirkt, am ganzen Projekt gar zwei Dutzend. Und Mitarbeitende in verschiedenen anderen Funktionen waren an die fünfzig beschäftigt. Von 1699 bis 1714 war die Glashütte von Court in Betrieb, ebenso lange haben nun die Nachforschungen um das damalige Wirken der Menschen dort gedauert. Europaweit ist es zum grössten Projekt überhaupt in der Erforschung von Waldglas geworden.

Band 3 stellt die im Rahmen einer Dissertation an der Universität Zürich geleistete Arbeit von Jonathan Frey vor. Im Zentrum stehen die Haushaltskeramik und insbeson dere die Kühlkeramik. Das waren extrem hitzebeständige Gefässe aus Ton, in denen die dem Brennofen entnommenen Glaswaren langsam abgekühlt wurden. Der Autor hielt für seine Arbeit 37 317 Scherben in den Händen und studierte unzählige Schrift- und Bildquellen zu seinem Thema. Dabei machte er interessante Entdeckungen zur Produktion von Glas- und Tonwaren sowie zur Zusammenarbeit von Glasern und Hafnern. Neben der Beschreibung der in Court gefundenen Haushaltskeramik (Kap. 5 und 6) ist vor allem das Kapitel zur Kühlkeramik von Interesse (Kap. 4). Mit dem Bestand von etwas mehr als der Hälfte der Funde versuchte der Autor, die Funktion und den Gebrauch der Kühlgefässe zu rekonstruieren. Erste archäologische Nachweise dieses Gefässtyps im Berner Jura stammen aus dem späten 16. Jahrhundert, aber eine gründlichere Erforschung ist erst in Zusammenhang mit Court, Pâturage de l’Envers geschehen. Mitgewirkt an diesem Band hat auch Gisela Thierrin-Michael mit einem Beitrag zur Archäometrie, der Klärung von Fragen rund um Tonwaren mit naturwissenschaftlichen Methoden.

Im Band 4 werden neben den schriftlichen Quellen die bis anhin nicht behandelten Fundstücke von Court, Pâturage de l’Envers vorgestellt: Glas, Metall, Münzen und Medaillen, Tierknochen, Tabakspfeifen und Steinartefakte. Christophe Gerber präsentiert mit seinem Team zahlreiche Details, die das Leben und das Wirtschaften in der Glashütte südlich von Moutier näher erklärten. Unter den Funden sind Flaschen und Glaswaren für Apotheken wie auch Schröpf- und Laborgläser. Eine andere wichtige Gruppe bildet das Tafelglas mit Bechern und Kelchen sowie Flaschen, Karaffen und Krügen. Dazu kamen Tintengläser, Spulen, Spinnwirtel, Ringe und Knöpfe. Die Palette an verschiedenen Produkten ist grösser als erwartet, aber im Unterschied zu den Hafnereien in der Stadt und auf dem Land, die sich eine Produktepalette manchmal auch aufteilten, gab es keine städtischen Glashütten. Alles, was zu seiner Zeit aus Glas hätte sein können, kam aus so dezentral gelegenen Orten wie Court, Pâturage de l’Envers.

Ungefähr ein Zehntel aller Fundstücke aus Metall und Knochen (das sind 577 von 5496) sind in der Publikation abgebildet und illustrieren den damaligen Umgang mit Metall in der Werkstatt, der Küche und anderen Wohnräumen, rund um Tierhaltung und Freizeit. Da wurde festgestellt, dass Glaser nicht auch Jäger waren und nur Haustiere verspeisten, dafür einige von ihnen Pfeife rauchten (auch Pfeifen aus Metall) und Maulgeige spielten. 64 Münzen stecken den Lebens- und Wirtschaftsraum geografisch ab, erhellen die Geldwirtschaft aber nur zusammen mit den schriftlichen Quellen. Auch einen geografischen Aspekt beinhalten die Funde von Devotionalien, die Beziehungen bis tief nach Bayern hinein offenlegen und auf das katholische Milieu hinweisen – im bernisch-protestantischen Gebiet von Moutier-Grandval.

Die Studien der Artefakte wie der Archivalien aus Court, Pâturage de l’Envers zeigen auch, dass Glaser mit ihren Familien zwar ausserhalb dörflicher und städtischer Gemeinschaft lebten und auch untereinander heirateten, dass es ihnen aber trotzdem gelang, Kontakte nach aussen zu pflegen und z. B. einen Chirurgen oder einen Pfarrer als Taufpaten für ihre Kinder zu finden. Das zeigt, dass das Sozialprestige von Glasern so gering nicht war. Eine Erklärung dafür ist sicher, dass Glas teilweise auch ein Luxusprodukt war.

Allein schon der vierte Band, erst recht aber das Gesamtwerk, ist eine Aneinanderreihung von Superlativen. Stückzahlen an Scherben gehen meist in die Tausende oder Zehntausende, so kurz der gründlich studierte Zeitraum auch ist. Allein rarere Objekte finden sich nur in Zehner- oder Hunderter-Stückzahlen, zum Beispiel Scherben von Tabakspfeifen oder Münzen.

Die besprochenen Bände, obwohl Teil einer vierbändigen Reihe, sind eigenständig genug, dass man sie für sich allein mit Gewinn lesen kann. Das ist bei der Grösse des Werks unabdingbar. Weil aber die verschiedenen Autorinnen und Autoren ihren Beitrag immer wieder ins Ganze einordnen, die Geschichte sozusagen von vorne erzählen oder wenigstens den Kontext abstecken, stösst man bei der Lektüre des ganzen Werks hie und da auf Wiederholungen.

1 Siehe die Rezensionen des Verf. in BEZG 73, 2 (2011), 39–41 (Bd. 1), und BEZG 76, 1 (2014), 52 – 54 (Bd. 2).

Zitierweise:
Walter Thut: Rezension zu: Frey, Jonathan: Court, Pâturage de l’Envers. Une verrerie forestière jurassienne du début du 18e siècle. Volume 3: Die Kühl- und Haushaltskeramik. Berne: Rub Media 2015. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 79 Nr. 1, 2017, S. 45-47.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 79 Nr. 1, 2017, S. 45-47.

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